Progesteron und einige seiner natürlichen Abbauprodukte wirken vielfältig auf das Nervensystem und die Gehirnfunktionen. Sie zeichnen sich durch angstlösende, schlaffördernde, entspannende und beruhigende Effekte aus. Progesteron beeinflusst bei Tieren zudem die Empfänglichkeit für sexuelle Reize. Die Erkenntnisse hierzu sind beim Menschen jedoch noch begrenzt. Lesen Sie hier, was Progesteron im Nervensystem bewirkt.

Wie wirkt sich Progesteron auf die Körpertemperatur aus?

Progesteron beeinflusst über seine Abbauprodukte die Körpertemperatur. Somit steigt die Köpertemperatur um 0,4 bis 0,6 Grad Celsius in der 2. Zyklushälfte (Lutealphase). Dieses Phänomen wird bei der Messung der Basaltemperaturkurve genutzt. Denn der Anstieg der morgendlichen Temperatur liefert einen guten Hinweis darauf, dass es sich um einen Zyklus mit Eisprung (Ovulation) handelt. Der Eisprung selbst erfolgt bereits 1–3 Tage vor dem Temperaturanstieg. Bei etwa 3–5 % aller Frauen steigt die Temperatur während der Lutealphase allerdings nicht an.

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Foto: gettyimages/dolgachov

Wenn der Progesteronspiegel in der 2. Zyklushälfte ansteigt, erhöht sich auch die Körpertemperatur.

Progesteron wirkt schlaffördernd

Rund die Hälfte aller Frauen schläft nach eigenen Angaben während der Wechseljahre und danach nicht gut. Sie klagen über Einschlafprobleme und wiederholtes Aufwachen. Wenn Beschwerden, wie Hitzewallungen oder Nachtschweiß, die Schlafstörungen verursachen, ist eine Hormonersatztherapie für die Betroffenen oft hochwirksam. Dabei ist es wichtig, ob ein synthetisches Gestagen oder natürliches Progesteron mit dem Östrogen bei der Hormonersatztherapie kombiniert wird, wenn ein zusätzlicher Effekt auf Schlafstörungen erzielt werden soll. Denn das schlaffördernde Abbauprodukt Allopregnanolon entsteht nur aus natürlichem Progesteron, nicht aus den synthetischen Gestagenen. Die abendliche Gabe von natürlichem Progesteron verkürzt bei postmenopausalen Frauen die Einschlafzeit und die Wachphasen während der Nacht.

Chemische Formel von Progesteron

Chemischer Aufbau von Allopregnanolon.

Daneben ist Allopregnanolon vermutlich auch für antidepressive und antipsychotische Effekte verantwortlich. Aufgrund dieser Eigenschaft kann die Anwendung von Progesteron beim Prämenstruellen Syndrom (PMS) hilfreich sein. Die im Rahmen des PMS auftretenden Stimmungsschwankungen können durch Progesteron bzw. Allopregnanolon ausgeglichen werden.

Neue potentielle Einsatzmöglichkeiten von Progesteron

Progesteron ist für seine beruhigenden und angstlösenden Wirkungen bekannt. Forscher untersuchen zusätzlich den Einsatz von Substanzen, die sich von Progesteron ableiten. Sie erhoffen sich davon neue Therapieansätze gegen Depression, Angst und andere psychiatrische Erkrankungen.

Wissenschaftler haben außerdem beobachtet, dass die Gabe von Progesteron zu einem reduzierten Verlangen nach Nikotin führt1,2. Ein Team von Wissenschaftlern forscht deshalb in den USA über die Rolle von Progesteron bei der Raucherentwöhnung von Frauen. In einer im Mai 2019 publizierten randomisierten 12-Wochen-Studie mit Männern (18–60 Jahre) und prämenopausalen Frauen (18–50 Jahre), die entweder 2 Kapseln mit 200 mg Progesteron täglich oder gleichaussehende Kapseln ohne Wirkstoff einnahmen, bestätigte sich – allerdings nur bei den Frauen –, dass orales mikronisiertes Progesteron die Nikotinabstinenz fördert und damit bei der Raucherentwöhnung helfen kann3.

Referenzen

  1. Sofuoglu M, Babb DA, Hatsukami DK. Progesterone treatment during the early follicular phase of the menstrual cycle: effects on smoking behavior in women. Pharmacology, biochemistry, and behavior. 2001;69(1-2):299-304.
  2. Sofuoglu M, Mouratidis M, Mooney M. Progesterone improves cognitive performance and attenuates smoking urges in abstinent smokers. Psychoneuroendocrinology. 2011;36(1):123-132.
  3. Tosun NL, Fieberg AM, Eberly LE, et al. Exogenous progesterone for smoking cessation in men and women: a pilot double-blind, placebo-controlled randomized clinical trial. Addiction (Abingdon, England). 2019.